Das große Versagen – Milliardengrab Digitalisierung (2)

Corona macht Mängel der Digitalisierung offenkundig

Der Traum von der Digitalisierung ist noch keine Realität geworden. Die Corona-Krise hat uns auch 2021 fest im Griff. Der Lockdown ist bis Mitte Februar verlängert und offenbart jeden Tag aufs Neue die jahrelangen Versäumnisse bei der Digitalisierung der Gesellschaft.

Besonders hart trifft es die Schüler. Der Präsenzunterricht ist ausgesetzt und Lernen zu Hause angesagt. Elektronische Lernplattformen sollen dabei sowohl die Schüler als auch die Lehrer unterstützen. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Plattformen dem Ansturm der Nutzer nicht gewachsen sind und die Server reihenweise aufgeben. Hinzu kommt die fehlende Qualifikation gerade der älteren Lehrkräfte hinsichtlich der Handhabung digitaler Lernplattformen. Trotz der Erfahrungen aus der ersten Coronawelle im Frühjahr 2020 wurden offenbar keine Anstrengungen unternommen, Engpässe bei der Serverstruktur der Lernplattformen zu beseitigen. Also wird wieder mit E-Mail, unzähligen Ausdrucken und Fax gearbeitet.

Auch das Projekt E-Government ist keine Erfolgsstory

Besonders unverständlich sind diese Probleme, wenn man weiß, dass die Probleme bei der Umsetzung der Digitalisierung der Regierung durchaus bekannt sind.

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat beispielsweise im Auftrag der Bundesregierung den Stand bei der Umsetzung des E-Government auf Bundes- und Landesebene untersucht. Das Dokument datiert vom 28.06.2019 und zieht ein verheerendes Fazit.

Das Gutachten fragt nach dem Stand des E-Government in Deutschland.

Unter E-Government ist die Abwicklung von Geschäftsprozessen der öffentlichen Verwaltung und Regierung (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien zu verstehen.

Basis ist der Regierungsbeschluss von 2013 über die Einführung des E-Government

Im Jahr 2000 beschloss der Bund mit der Initiative „BundOnline 2005“ die erste E-Government– Initiative der Bundesregierung und machte die Digitalisierung der Verwaltung zu einer zentralen Regierungsaufgabe. Bis zum Jahr 2005 stellte die Bundesverwaltung im Rahmen dieser Initiative über 440 Online-Dienstleistungen ins Netz. Die Länder und Kommunen, die einen Großteil der Verwaltungsaufgaben erfüllen, haben darüber hinaus eigene Strategien entwickelt und umgesetzt. Zur Ermöglichung einer Ausweitung des E-Government auf verbindlichere Verfahren wurden eine Reihe querschnittlicher Infrastrukturprojekte durchgeführt, darunter insbesondere der elektronische Identitätsnachweis mit der Online-Ausweisfunktion des Personalausweises und des elektronischen Aufenthaltstitels sowie die De-Mail-Infrastruktur.

Der Initiative „BundOnline 2005“ folgten eine Vielzahl von Programmen und Initiativen, insbesondere das Programm des Bundes „E-Government 2.0“6 aus dem Jahr 2006 sowie die „Digitale Agenda 2014 – 2017“7 des Bundes und das Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020“8. Die am 20. August 2014 durch das Bundeskabinett beschlossene „Digitale Agenda 2014 – 2017“ gibt die Leitlinien der Digitalpolitik der Bundesregierung vor und bündelt Maßnahmen auf sieben zentralen Handlungsfeldern, darunter auch das Handlungsfeld Innovativer Staat. Das im September 2014 verabschiedete Regierungsprogramm „Digitale Verwaltung 2020“ soll der koordinierten Umsetzung des im Jahr 2013 beschlossenen E-Government-Gesetzes dienen. Auf Ebene des Bundes ist für die strategische Ausrichtung und Fortentwicklung des E-Governments in Deutschland das Bundesministerium des Innern (BMI) verantwortlich.

Gesetze, Richtlinien und Initiativen hat es also hinreichend gegeben. Aber welche Effekte wurden erzielt? Was haben die Investitionen in der Praxis bewirkt?  Über den Personalausweis in der Praxis habe ich bereits in Teil 1 berichtet. Die D-Mail spielt in der Praxis des Normalbürgers keine Rolle, ein Totalausfall.

Bundesregierung beauftragt Kienbaum Consultants mit Gutachten zum E-Government

Im Auftrag der Bundesregierung hat die Kienbaum Consultants International GmbH das Evaluationsgutachten zum Stand des E-Government erstellt. Auf Basis dieses Gutachtens hat die Bundesregierung einen eigenen Bericht erstellt. Nachstehend einige Auszüge aus dem Dokument.

Die wesentlichen Ergebnisse der Evaluation des Gesetzes werden von der Bundesregierung wie folgt zusammengefasst: 

Der Umsetzungsstand des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften bei den Verwaltungen ist nach den empirischen Ergebnissen des Gutachtens insgesamt gering. Die Mehrheit der befragten Verwaltungen gibt an, sich noch in der Umsetzung zu befinden. Ein Viertel der befragten Verwaltungen gibt zudem an, dass sie überhaupt nicht zur Umsetzung des Gesetzes verpflichtet sei – dies betrifft Verwaltungen auf allen Ebenen (Bund, Land und Kommunen). Bereits verfügbare elektronische Maßnahmen, die Behördenkontakte erleichtern könnten, wie beispielsweise die qualifizierte elektronische Signatur, werden nur von einem geringen Teil der Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen in Anspruch genommen. Auffallend häufig wurde als Argument hierfür der geringe Bekanntheitsgrad der E-Government-Angebote bei Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen betont. 

Nur gut die Hälfte der befragten Verwaltungen hält die Umsetzung des Gesetzes für praktikabel. 97 Prozent der befragten Verwaltungen, die angaben, zur Umsetzung verpflichtet zu sein, sehen sich in diesem Zusammenhang diversen Schwierigkeiten ausgesetzt. Als die fünf größten Herausforderungen werden dabei genannt: 

  • –  fehlendes Budget, 
  • –  fehlende zentral entwickelte IT-Lösungen, 
  • –  Regelungen zum Datenschutz, 
  • –  die fehlende Akzeptanz der Nutzer sowie 
  • –  die fehlende Digitalisierungskompetenz bei den Beschäftigten der Verwaltung

Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der evaluierten gesetzlichen Regelungen wurde von Verwaltungen zumeist als befriedigend bewertet. Aufgrund des grundsätzlich geringen Umsetzungsstandes liegen aber kaum Daten zu den tatsächlichen Kosten vor. 
Die Zielsetzung des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften bestand darin, medienbruchfreie Prozesse vom Antrag bis zur Archivierung zu ermöglichen und nutzerfreundliche, ebenenübergreifende Verwaltungsdienstleistungen strukturiert entlang den Lebenslagen von Bürgerinnen und Bürgern sowie den Bedarfslagen von Unter- nehmen anzubieten. Das Gesetz war also in erster Linie auf die 
rechtliche Ermöglichung eines Angebots elektronischer Verwaltungsdienstleistungen ausgelegt. Nach den Evaluationsergebnissen hat ein solcher Ansatz gewisse Grenzen: Ohne Klarheit über Normenadressaten, Umsetzungsverpflichtungen inkl. klarer Fristen, Konkretisierung von Ausnahmeregelungen sowie Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen, wie etwa gesicherter Finanzierung, definierten Standards und Digitalisierungskompetenz in der Verwaltung, sind die angestrebten Wirkungen zumindest kurzfristig nicht flächendeckend zu erreichen. 

Fazit

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass fehlende Normen, Richtlinien und Standards, die mangelnde Bereitschaft der Verwaltungen zur Umsetzung der Digitalisierung und technische Probleme eine zügige Umsetzung des E-Government weiterhin stark behindern.

Die größte digitale Herausforderung besteht für Deutschland in der Verbesserung der Online- Interaktion zwischen Behörden und den Bürgerinnen und Bürgern, denn nach wie vor werden E-Government-Dienste nur in geringem Umfang genutzt. 

Der Bekanntheitsgrad und damit verbunden die Akzeptanz des E-Governments bei der Bevölkerung sind sehr gering.

Es gibt viel zu tun. 
Unter nachstehendem Link können Sie das ganze Gutachten downloaden.

Evaluationsbericht Kienbaum Consultants


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