Junge Liberale fordern Trennung von Staat und Kirche

.Der Wahlkampf nimmt Fahrt auf

 Die Jungen Liberalen wollen die Kirche entmachten. Die Trennung von Staat und Kirche soll endlich konsequent umgesetzt werden. Das jedenfalls fordert die Jugendorganisation der FDP. Die Mittelstandsunion will ARD, ZDF und Deutschlandradio zu einer Anstalt verschmelzen und der Unionsfraktionschef Brinkhaus spricht von einer notwendigen Revolution in Deutschland. Der Wahltermin im September kommt näher. Der Wahlkampf nimmt langsam Fahrt auf.
Da will auch die FDP nicht hintenanstehen. Die Jugendorganisation der FDP möchte angesichts der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche das Verhältnis von Staat und Kirche neu regeln. Das könnte ein sehr schwieriges Unterfangen für die Partei werden, die bei jeder Wahl um den Einzug in das Parlament kämpfen muss.

Säkularismus oder Laizismus – in Sachen Kirche ist Europa geteilt

In vielen Staaten wurde im Lauf Ihrer Geschichte die Trennung von Staat und Kirche eingeführt. Das Maß dieser Trennung ist den verschiedenen Ländern aber durchaus unterschiedlich. In dieser Hinsicht gelten die meisten Staaten der Welt als säkular.
Es gibt jedoch auch Staaten, die den Laizismus als Staatsform in der Verfassung verankert haben. Dazu gehören zum Beispiel Albanien, China, Frankreich, Indien, Japan, Mexico, Portugal, Tschechien und auch Portugal um nur einige zu nennen. 

Machtenteilung in Deutschland nicht konsequent umgesetzt

Deutschland zählt zu den säkularen Staaten, die die Trennung von Staat und Kirche in vielen Bereichen vollzogen haben, dies aber nicht in den Verfassungsrang erhoben haben.
In der Praxis bedeutet die Inkonsequenz bei der Umsetzung der Machtenteilung, dass in vielen Bereichen die Kirche weiterhin Sonderrechte genießt. Nicht nur aufgrund der aktuell in der Diskussion stehenden Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, sondern auch eingedenk der Verbrechen der Kirche in der Vergangenheit (in diesem Beitrag habe ich darüber berichtet)) und der Praxis der Kirche bei der Nutzung ihrer Sonderrechte ist die Forderung nach Abschaffung der Sonderstellung der Kirche berechtigt.

Die Forderungen der Liberalen

Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Jens Teutrine, stellte fest, weder das Eintreiben der Kirchensteuern noch die Verbreitung der Religion sei Aufgabe des Staates. Staat und Kirche müssten finanziell entkoppelt werden.

„Die Trennung von geistlicher und weltlicher Macht war schon im Mittelalter eine politische Forderung, ist aber bis heute nicht voll verwirklicht“, heißt es im Positionspapier der Jungen Liberalen.“

Im Einzelnen werden folgende Forderungen erhoben:

  • Abschaffung der Erhebung der Kirchensteuer durch den Staat
  • Abschaffung des Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen
  • Abschaffung des Arbeitsverbotes an den Feiertagen
  • Religionsgemeinschaften sollen künftig privatrechtlich organisiert werden
  • Der Kirchenaustritt muss kostenfrei und digital ermöglicht werden
  • religiöse Symbole sollen aus öffentlichen Einrichtungen entfernt werden
  • Abschaffung der Sonderrechte für religiöse Einrichtungen als Arbeitgeber
  • (Ungleichbehandlung aufgrund der Religion, kein Streikrecht, keine Betriebsräte etc.)
  • Sonderrechte der Kirche bei der Besetzung staatlicher Gremien (Rundfunkrat etc.)
  • Abschaffung des Rechts der Kirchen auf Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
  • Abschaffung des Wortes zum Sonntag
  • Eid im Gerichtssaal ohne religiösen Zusatz ( so wahr mir Gott helfe)
  • Streichung des Gottesbezuges in der Präambel der Verfassung

Wieviel Mitglieder haben die Kirchen noch?

Die Verwirklichung dieser Forderungen würde Deutschland ein Stück weit näher an das 21.Jahrhundert führen und Relikte aus dem Mittelalter beseitigen.
Im Jahr 2019 gab es in Deutschland 20,71 Mio evangelische Christen und 22,6 Mio Katholiken. Das waren 52 % der gesamten Bevölkerung. Zu berücksichtigen sind allerdings die massenhaften Kirchenaustritte infolge der Missbrauchsvorfälle, die in den vergangenen Jahren publik wurden. Zudem ist nicht jeder Kirchenangehörige ein aktiver Christ, so dass sicher ein 50/50-Verhältnis zwischen Religionsangehörigen und Atheisten realistisch sein dürfte. 

Warum Sonderrechte für die Kirche?

Weshalb sollte die Kirche Vorrechte gegenüber dem atheistischen Bevölkerungsteil haben, auch wenn dies rein rechtlich durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gedeckt ist? Das diese Vorrechte ausgerechnet durch jene Religionsgemeinschaften in Anspruch genommen werden, die sich Demut, Entsagung und Fürsorge für den Nächsten auf die Fahnen geschrieben haben, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn diese Sonderrechte dienen überwiegend der Institution Kirche und nicht den Gläubigen und den Kirchenangestellten.
Sich auch am diesjährigen Ostersonntag parallel in ARD und ZDF einen Gottesdienst für seine Gebühren präsentieren lassen zu müssen, bringt für einen Atheisten schon etwas Frust. Auch das Wort zum Sonntag bringt mich persönlich jedes Wochenende in Wallung.

Die Kirche als Arbeitgeber

Weit schlimmer als Kirchensendungen in ARD und ZDF jedoch sind die Sonderrechte der Kirche als Arbeitgeber und zwar für die Arbeitnehmer. Davon sind etwa 1,8 Millionen Menschen betroffen. Sie arbeiten direkt für die Kirche oder kirchliche Wohlfahrtsverbände. Konflikte treten dabei aufgrund der strengen Dogmen der katholischen Lehre vor allem in der katholischen Kirche auf. Nachstehend ein paar Beispiele, in welch eklatanter Weise Kirchenorgane den eigenen moralischen Anspruch ad absurdum führen. 

  1. Eine standesamtlich verheiratete Kindergärtnerin mit langjähriger Berufserfahrung hatte in einem katholischen Kindergarten eine befristete Anstellung gefunden. Als die Vertragsverlängerung anstand, stellte die Kirche die Frage nach einer katholischen Hochzeit. Zunächst durchaus zu Kompromissen bereit, lehnte die Dame nach intensiven Nachforschungen der Kirche zu einer früheren Hochzeit ihres Mannes und der Forderung nach einer Erklärung, dass diese Hochzeit nicht katholisch war, letzten Endes entnervt die katholische Hochzeit ab. Dazu trug auch ein mit ihrem Mann durchgeführter Ehefähigkeitstest und unzählige auszufüllende Anträge bei. Im letzten halben Jahr wurde die Kindergärtnerin von ihrer Chefin, den Kolleginnen und sogar von Eltern gemobbt. Sie hat nie wieder in ihrem Job gearbeitet.
  2. Er war Priester 30 Jahre lang Priester. Schließlich lernte er seine Frau kennen und verliebte sich. Als sie schwanger wurde, meldete er dies dem Bischof. Er wollte sein Kind nicht verleugnen. Die Reaktion der Kirche kam prompt. Er wurde gekündigt. Seitdem arbeitet er freiberuflich im Bereich Trauerfälle und Vermählungen wie vorher im Rahmen der Kirche auch. Den Religionsunterricht an Schulen vermisst er immer noch. Auch seine kirchliche Altersversorgung hat er verloren.
  3. Er wurde Pfarrer in Hamm weil er an die Barmherzigkeit Gottes glaubte. Tiefsitzende homosexuelle Tendenzen, so die offizielle Bezeichnung für Homosexuelle, hätten seine Priesterweihe verhindert. Der Pfarrer hielt es geheim, entging Denunziationen während des Studiums, und wurde daher 1992 geweiht. Der Belastung durch die weltfremde Sexualmoral der Kirche hielt er bis 2019 stand. Dann outete er sich. Ein Aufsatz von Bischoff Franz-Josef Overbeck über das Thema Sexualität hatte ihm Mut gemacht. Er ist immer noch Pfarrer. In einem Gespräch mit dem Erzbischof von Paderborn sagte dieser ihm, dass niemand für seine sexuelle Orientierung könne. Dennoch gelte für ihn das Zölibat. Damit konnte er leben. Für das vatikanische Verbot der Segnungen für homosexuelle Paare hat er dagegen kein Verständnis.

Das Fazit – als Arbeitgeber nicht empfehlungswert

Die Kindergärtnerin liebte die Arbeit mit den Kindern. Der Priester liebte die Arbeit mit den Jugendlichen und seine Frau und sein Kind. Der Pfarrer in Hamm steht zu seiner Homosexualität und findet Verständnis. Nach der Lehre der Kirche hätte er nicht geweiht werden dürfen. Die Sexuallehre des Vatikans lehnt nicht nur er ab.
Was ist falsch daran?
Das Verhalten der Kirche gegenüber ihren Mitarbeitern lässt jegliche christlichen Werte vermissen. Formalien und die Durchsetzung Ihrer verstaubten moralischen Vorstellungen und einer Auffassung von Sexualität, die sich direkt im Mittelalter verorten lässt, sind ihr wichtiger als die so oft geforderte und so wenig praktizierte Nächstenliebe. 

Reformpapst Franziskus? – mitnichten

Mit der Wahl von Papst Franziskus haben sich große Hoffnungen auf grundlegende Reformen in der Kirche verbunden. Diesem Anspruch ist Papst Franziskus leider nicht gerecht geworden. Selbst nach den Skandalen in der Vatikanbank war es ihm nicht möglich, die grassierende Korruption im Vatikanstaat erfolgreich zu bekämpfen. Den dringend notwendigen Veränderungen in der Sexuallehre hat er sich verschlossen. Das Zölibat, einst von der Kirche eingeführt, um das Vererben des Besitzes von Priestern außerhalb der Kirche zu verhindern, wird von ihm nicht in Frage gestellt. Gerade das Zölibat ist sicher eine der Ursachen für den Kindesmissbrauch in der Kirche und den Priestermangel. Auch an der untergeordneten Stellung der Frau innerhalb der Kirche hat Franziskus nichts geändert. Das kürzlich vom Vatikan veröffentlichte Segnungsverbot zeigt, dass er die allgemeine Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Beziehungen auch weiterhin zu ignorieren gedenkt, auch gegen den Widerstand vieler Priester und Teilen des Klerus. 

Problemfeld Familienplanung und Geburtenkontrolle

Besonders problematisch ist die Haltung der Kirche zur Familienplanung, sprich Verhütung. Im Januar 2015 bekannte sich Papst Franziskus zur natürlichen Familienplanung. Die Pille und Kondome waren damit nicht gemeint. 2018 hat der Papst eine Überprüfung der Enzyklika „Humanae Vitae“, die Papst Paul VI. 1968 erlassen hatte, veranlasst. Geändert hat er bis heute nichts. Bereits 2009 hatte Papst Benedict trotz der grassierenden AIDS-Epidemie bei seinem Besuch in Afrika auf dem Verbot künstlicher Geburtenbeschränkung bestanden. Das hat nicht nur zu hunderttausenden Toten geführt, sondern auch die Bemühungen um eine Begrenzung des Bevölkerungszuwachses torpediert. Auch die Ausweitung der Armut, insbesondere bei Kindern, ist eine direkte Folge dieser päpstlichen Haltung.

Das Beharren der Kirche auf ihre überkommenen Ansichten entfremdet die Menschen nicht nur von ihrer Kirche, sondern widerspricht dem eigenen moralisch-ethischen Anspruch als Hüter der Moral und führt zu Schäden an Leben und Gesundheit bei Millionen Menschen.

Daher kann man den Vorstoß der Jungen Liberalen nur unterstützen. Die zurzeit regierende Koalition wird diesen Vorschlag nicht umsetzen. Vielleicht hat ja die neue Regierung den notwendigen Mut dazu.


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