Lungenfachärzte zweifeln Grenzwerte an
Der Streit um die Umweltbelastung durch unsaubere Dieselfahrzeuge hat nun auch die akademische Welt erreicht. Etwa 100 Lungenspezialisten mit Herrn Professor Dr. Köhler, dem ehemaligen Chef der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), an der Spitze haben am Mittwoch in einer Stellungnahme den gesundheitlichen Nutzen der aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide bezweifelt und eine fehlende wissenschaftliche Begründung beklagt.
Dies ist eine erstaunliche Behauptung, hat doch gerade die DGP, der Prof. Dr. Köhler von 2005 bis 2007 vorstand, bereits im November 2018 in einem Positionspapier eine weitere Verschärfung der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide gefordert. Darin hieß es: „Studien zeigen, dass die Feinstaub-Belastung durch Landwirtschaft, Industrie und Verkehr gesundheitsschädlich ist“ Damals hatten weder Herr Prof. Dr. Köhler noch die anderen 100 Unterzeichner des aktuellen Einspruchs gegen die Luftverschmutzungsgrenzwerte irgendwelche Einwände. Und so bekommt die Auseinandersetzung ein unangenehmes Geschmäckle, eigentlich mehr einen Geruch, den penetranten Gestank von Diesel. Dass die Verkehrsminister vom Schlage eines Dobrindt oder Scheurer (beide CSU) nicht die Interessen der Autofahrer, sondern der Automobilindustrie vertreten, ist ja nichts Neues. Und so hält Herr Scheurer die Zweifel an den bestehenden Grenzwerten für gerechtfertigt. „Der wissenschaftliche Ansatz hat das Gewicht, den Ansatz des Verbietens, Einschränkens und Verärgerns zu überwinden“, so der Verkehrsminister. Gerichte sprechen also Fahrverbote aus, um den Autofahrer zu verärgern. So könnte man die Äußerung des Ministers interpretieren. Deutlicher kann man sich nicht positionieren. Bereits die Äußerungen des Ministers zu den Ergebnissen der von ihm eingesetzten Expertenkommission in Sachen Klimaschutz ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. „Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen 130 km/h und höhere Steuern für Benzin und Diesel“, das sei gegen den gesunden Menschenverstand, ließ der Minister wissen und gleich die nächste geplante Sitzung seiner Expertenkommission platzen. Ein Kommentar erübrigt sich wohl.
Dass sich allerdings Mediziner dazu hergeben, sich so offensichtlich auf die Seite der Konzerne zu schlagen, wirft kein gutes Licht auf die Wissenschaft in Deutschland. Sicher ist auch in der Medizin nichts in Stein gemeißelt und verändern neue Erkenntnisse alte Ansätze in Prophylaxe und Therapie. Aber ohne neue gesicherte Untersuchungen pauschal gültige Grenzwerte in Frage zu stellen, die auf vielen langjährigen Studien basieren, hat mit wissenschaftlichem Meinungsstreit wenig aber mit politischer Einflussnahme viel zu tun.
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