Namhafte Katholiken fordern Reformen

Offener Brief an Kardinal Marx

Kirche von unten – ein Sammelbecken der Opposition in der DDR

Kirchentag von unten (KvU) entstand in zeitlicher Nähe des evangelischen Kirchentages 1987 im Osten Berlins anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins. Es war quasi eine Konkurrenzveranstaltung zum offiziellen Kirchentag und sollte all denen als Forum dienen, die der offiziellen Kirchenführung wegen ihrer Staatsnähe nicht vertrauten. Auf der Veranstaltung, die von Vera Wollenberger und Jugenddiakon Bern Schröder eröffnet wurde, wurden gesellschaftliche Themen behandelt und erhielten systemkritische Künstler wie Stephan Krawczyk, Thomas Krüger und Detlef Opitz eine Auftrittsmöglichkeit. Mehrere oppositionelle Gruppen stellten sich und ihre Arbeit vor. Auch eine Abschlussdemonstration mit ca. 300 Teilnehmern gab es. Aufgrund des großen Interesses entstand daraus im September 1987 die Kirche von unten. Es war eine überregionale Basisgruppe, die nicht nur innerkirchliche Opposition sein wollte, sondern sich zu vielen gesellschaftlichen Problemen äußerte. Die KvU wurde zu einem wichtigen Teil der Oppositionsbewegung in der DDR, die schließlich die friedliche Revolution von unten herbeiführte.

Es kriselt in der Bundesrepublik

Nun sind die DDR und die Bundesrepublik seit 30 Jahren vereint. Die Bundesrepublik ist die stärkste Wirtschaftsnation Europas und auch politisch in der Welt ein Schwergewicht. Aber die aus der Wiedervereinigung resultierenden Probleme hat sie bis heute nicht gelöst.

Das wirtschaftliche Gefälle zwischen Ost und West ist immer noch immens. Der gesellschaftliche Reichtum ist zwischen Ost und West sehr ungleich verteilt, die Kluft zwischen arm und reich ist größer denn je. Die Lebensverhältnisse in Ost und West sind nicht annähernd gleich. Die überwiegende Zahl der Führungspositionen in Wirtschaft und Politik sind mit Managern und Berufspolitikern aus den alten Bundesländern besetzt. Nicht einmal die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist Wirklichkeit geworden. Und obendrauf kommt als Sahnehäubchen die Asylantenproblematik. Es kriselt unter der Oberfläche.

Die Kirche als moralische Instanz unserer entwurzelten Konsumgesellschaft?

In solchen Zeiten brauchen die Menschen eine Orientierung. Sie suchen verstärkt nach dem Sinn ihres Tuns und nach einer moralischen Instanz, die Ihnen Halt gibt.

Eine solche Instanz war am Ende der DDR die Kirche von unten.Im Gegensatz zur Zeit der friedlichen Revolution hat die Kirche heute ihre Rolleals moralischer Imperativ seit langem im Strudel ihrer zahlreichen Skandale verloren. 
Der Graben zwischen der Kirche und seinen Schäfchen ist ebenso groß wie zwischen arm und reich. Die Kirchen sind nur an den hohen kirchlichen Feiertagen gefüllt und das bei weitem nicht nur mit gläubigen Christen. An Weihnachten wird das kirchliche Krippenspiel als Überbrückungsevent bis zur Bescherung genutzt. Fragen nach dem Ursprung und Sinn von Pfingsten, Ostern und Weihnachten stellt man selbst Abiturienten besser nicht.

Die Krise der Kirche ist hausgemacht

Die Probleme, mit denen die Kirche seit langem kämpft, haben Ursachen, die in der Kirche selbst zu suchen sind. Ihre Weltfremdheit, ihr kritisches Verhältnis zu den Wissenschaften, das unzureichende Engagement für die Ärmsten der Welt trotz zur Schau getragenem immensen Reichtum, das mangelnde Engagement bei der Lösung der wichtigen Fragen der Menschheit, die reaktionäre Haltung in Sachen Geburtenkontrolle und das jahrelange Vertuschen sexueller Missbrauchsfälle in der Priesterschaft haben zu einem Glaubwürdigkeitsproblem der Kirche und zu einer galoppierenden Austrittswelle geführt (allein 2016 162.000 Austritte bei den Katholiken; 190.000 bei der EKD).

Das Vermögen der katholischen Kirche wurde 2013 auf 200 Milliarden geschätzt. Obwohl das so ist, leiden Christen (natürlich nicht nur die) in vielen Teilen der Welt Hunger. In Afrika liegt dies vor allem an der Kinderflut, hervorgerufen durch die ablehnende Haltung der Kirche zur Geburtenkontrolle. Schon eine Korrektur in dieser Frage könnte Millionen Kinder retten ohne dass die Kirche in seine Schatztruhen greifen müsste. Seit Jahren werden immer wieder Missbräuche von Schutzbefohlenen der Kirche durch Priester und andere Würdenträger der Kirche bekannt ohne dass der Vatikan endlich durchgreifen, konsequent aufklären und die Schuldigen dem Staat überstellen würde. Auch das ändert sich nur langsam. Selbstverständlich sind Priester auch Menschen und denken, fühlen und handeln als solche. Das ist ganz natürlich. Unnatürlich ist dagegen das Zölibat. Es ist leicht vorstellbar, dass sich die aufgebauten sexuellen Spannungen auch bei Priestern irgendwann entladen müssen. Der Missbrauch von Messdienern oder Schülern an katholischen Seminaren und Heimen ist die logische Folge. Die Abschaffung des Zölibats würde dieses Problem wahrscheinlich lösen, ohne dass jemand seinen Glauben aufgeben müsste. 
Frauen werden immer noch in der Gesellschaft benachteiligt. Das musste erst kürzlich eine Mitarbeiterin des ZDF erfahren, die meinte, dass ihr das gleiche Gehalt wie ihren männlichen Kollegen zustehen würde. Obwohl gerade ein Gesetz zur Gehaltstransparenzin Kraft getreten war, hat man ihre Klage mit fadenscheinigen Begründungen abgewiesen. Und dass bei einer Mitarbeiterin von Frontal 21. Von einem Protest der Kirche gegen diese Entscheidung hat man nichts gehört. Mehr Engagement für die Frauen und die Zulassung weiblicher Priester würde dem Ansehen der Kirche guttun.

Die Verbrechen der Kirche

Die Kirche (ich meine damit nicht die einfachen Gläubigen) hat sich in der Vergangenheit unzähliger Verbrechen schuldig gemacht. Obwohl Christen im römischen Reich selbst der Verfolgung ausgesetzt waren, hat die Kirche sich an der Verfolgung von Nichtchristen und von Minderheiten beteiligt oder diese geduldet. Die sieben Kreuzzüge im Mittelalter haben geschätzte 22 Millionen Menschen den Tod gebracht. Die Inquisition hat mehr als eine Million Opfer unter Andersdenkenden und Unschuldigen gefordert. Angebliche Hexen und Ketzer wurden verbrannt, der Priester und Astronom Giordano Brunostarb unschuldig auf dem Scheiterhaufen und Galileo Galilei musste seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen abschwören. Dazu kam die Ausbeutung der Ärmsten durch den Kirchenzehnten und als moralischer GAU der verruchte Ablasshandel. In der Neuzeit haben Priester die Soldaten aller Parteien in beiden Weltkriegen gesegnet und für deren Sieg gebetet. Die 10 Gebote des Moses waren vergessen. Die Verfolgung der Juden wurde von der Kirche geduldet, der Nazismus nur von einzelnen Kirchenvertretern bekämpft. Die Kirche als Institution schwieg.

All das hatte und hat mit den Lehren Christi nichts zu tun.


Auch der zu seinem Amtsantritt so frenetisch gefeierte Papst Franziskus hat die Erwartungen bisher nicht erfüllt. Weder ist die Korruption in der Kirche wirkungsvoll bekämpft noch sind die Missbrauchsfälle der Vergangenheit aufgeklärt und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen worden. Und immer noch ist es möglich, dass machtbewusste Kirchenoberen Millionen bei der Errichtung von Luxusbauten verschwenden (Tebartz-van Elst in Limburg. Auch die Haltung der Kirche zu Homosexuellen verharrt bei den moralischen Normen des Mittelalters.

Auch der zu seinem Amtsantritt so frenetisch gefeierte Papst Franziskus hat die Erwartungen bisher nicht erfüllt. Weder ist die Korruption in der Kirche wirkungsvoll bekämpft noch sind die Missbrauchsfälle der Vergangenheit aufgeklärt und die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen worden. Und immer noch ist es möglich, dass machtbewusste Kirchenoberen Millionen bei der Errichtung von Luxusbauten verschwenden (Tebartz-van Elst in Limburg. Auch die Haltung der Kirche zu Homosexuellen verharrt bei den moralischen Normen des Mittelalters.

Führende Katholiken fordern Reformen-offener Brief an Kardinal Marx

Das Alles hat sich lange aufgestaut und bricht sich jetzt Bahn. 
Die zur Wendezeit gegründete Kirche von untenexistiert im Rahmen eines Sozialprojektes noch immer, politischen Einfluss hat sie keinen mehr. Nun scheint erneut eine Kirche von unten zu entstehen, die von der Kirchenführung weitreichende Reformen einfordert.

Am 02.02.2019 haben neun namhafte Theologen Katholiken in einem offenen Brief an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, einen Umbruch in vielen Bereichen gefordert.

Sie fordern nicht weniger als das Aufbrechen der alten klerikalen Strukturen in der Kirche, eine echte Gewaltenteilung, die Abschaffung der Sonderstellung des Weihamtes und dessen Öffnung für die Frauen. Sie fordern Entscheidungsfreiheit für die Diözesanpriestern in Hinblick auf ihre Lebensform, also de facto die Abschaffung des Zwanges zum Zölibat. In Sachen Sexualmoral soll die Homosexualität neu bewertet werden.

All das sind Forderungen, deren Umsetzung der Kirche das Überleben sichern könnten. Sie könnten der Kirche wieder zu Ansehen verhelfen und Hoffnung für alle jene bedeuten, die Christen sind und doch mit Ihrer Kirche hadern. 

Und es sind Forderungen, die einer Revolution gleichkommen; einer Revolution, die man eigentlich vom Papst erwartet hatte. Selbst die Begründung ist genauso richtig wie revolutionär. „Binden Sie sich selbst durch echte Gewaltenteilung – das passt besser zur Demut Christi und in den Rahmen der für alle geltenden Gesetze……..“So schreibt unter anderem der Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, Ansgar Wucherpfennig. Ihm hatte die Bildungskongregation des Vatikans vor einem Jahr eine dritte Amtszeit wegen seiner Haltung zur Homosexualität und zum Frauendiakonat verweigert. Erst nach massiven Protesten erhielt er die Zustimmung. Auch der Jesuitenpater Klaus Mertes, Rektor am Berliner Canisius-Kolleg und der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz (nicht zu verwechseln mit dem geschassten Bischoff Tebartz van Elst) gehören zu den Unterzeichnern des offenen Briefes. 

Endlich erinnert man sich wieder an die Bibel und die Demut, von der in der Bibel viel zu lesen ist. Auch, dass die Gesetze für alle gelten sollen, hat man in der Kirche längst vergessen. In Deutschland hat die Kirche sogar eigene Arbeitsrechtsvorschriften. Auch das Eintreiben der Kirchensteuer durch den deutschen Staat ist einmalig in der Welt. 
Ich habe das Alte und das Neue Testament gelesen und auch die vier Evangelien studiert. Nirgendwo habe ich bei Markus, Matthäus, Lukas und Johannes und auch in der Bibel davon gelesen, dass die Christen riesige prunkvolle Kirchen bauen und mit wertvollen Altären und Gemälden ausstatten sollen. Auch von Bischöfen und Kardinälen in prunkvollen Gewändern und goldenen Insignien der kirchlichen Macht stand dort nichts. Das Zölibat hat Jesus nicht gefordert, Frauen nicht ausgeschlossen. Und doch ist das die kirchliche Wirklichkeit heute. 

Es ist also höchste Zeit, dass die Kirche entschiedene Reformen einleitet und konsequent umsetzt. Ansonsten wird sie weiter Einfluss und Mitglieder verlieren und in die Bedeutungslosigkeit versinken. Unter diesem Aspekt ist es kein gutes Zeichen, dass sich weder Kardinal Marx noch der Papst zum offenen Brief erklärt hat. Lediglich das Forum Deutscher Katholiken und der Freiburger DogmatikprofessorHelmut Hoping haben die Forderung nach Reformen abgelehnt und den offenen Brief als Versuch kritisiert, die Missbrauchsfälle zu instrumentalisieren. Ob die Forderungen berechtigt sind oder nicht war Ihnen scheinbar nicht so wichtig.

Vorsitzende der Bischofskonferenzen tagen im Februar mit dem Papst im Vatikan

Vom 21. Bis zum 24.Februar treffen sich auf Wunsch des Papstes die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen, um über die Konsequenzen aus den Missbrauchsskandalen zu beraten. Die Unterzeichner des Briefes haben Kardinal Marx gebeten, den wichtigsten Ertrag der von deutschen Bischöfen beauftragten Missbrauchsstudie zur Sprache zu bringen. Sie verweisen darauf, dass Missbrauch systemische Gründe hat. So blockieren sexuelle Tabus notwendige Klärungs- und Reifeprozesse. Diözesanpriester mit Zölibatzwang würden wesentlich häufiger des sexuellen Missbrauchs beschuldigt als Diakone, die nicht der Verpflichtung zum Zölibat unterliegen. Sexueller Missbrauch ist vor allem auch Missbrauch von Macht. Diese werde durch den Klerikalismus als hierarchisch-autoritäres System zementiert.

Es bleibt abzuwarten, wie die Bischöfe auf der Konferenz im Vatikan auf die Ergebnisse der Studie reagieren und wie Kardinal Marx sich engagiert. Schließlich war er es, der kürzlich zur Übernahme von Verantwortung aufrief.


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