Der Landkreistag lehnt Softwareeinführung ab

Digitalisierung – muss das sein?

Der Landkreistag lehnt die Einführung der SORMAS-Software für die Gesundheitsämter ab. Dass ein nicht unbedeutender Teil der Angestellten und Beamten in den Verwaltungen von Bund und Ländern nicht zur ersten Garde der Digitalisierungsaktivisten gehören, hat man schon mal gehört oder gelesen. Der Landkreistag ist da schon ein anderes Kaliber.

Die Corona-Pandemie – analog nicht zu besiegen

Die Folgen der mangelnden Umsetzung der bereits 2013 von der Regierung gesetzlich fixierten Digitalisierung werden gegenwärtig besonders spürbar. Organisation, Planung, Logistik, Vorbereitung und Dokumentation der wohl größten Impfkampagne in der Geschichte der Bundesrepublik werden durch die unzureichende Digitalisierung der Ämter und Behörden wesentlich behindert. Ursache ist nicht nur die mangelnde technische Ausstattung, sondern auch die Vielzahl an propietärer Software, das Fehlen einheitlicher Organisationsstrukturen und Zuständigkeiten sowie die Schulung der Angestellten und Beamten in den Behörden.

Schwerpunkt Gesundheitsämter

Insbesondere die Gesundheitsämter scheitern mit ihren antiquierten Methoden und veralteter Technik an den großen Anforderungen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie.

Mittel Faxversand und Zettelwirtschaft sind große Datenmengen nicht zu bewältigen. Nicht einmal der tagesaktuelle Versand der Testergebnisse an die Betroffenen ist gelungen. Die Kontaktverfolgung hat sich erfolglose Schnitzeljagd erwiesen. Auch mit der Kontrolle der Einhaltung der verordneten Quarantäne sind die Gesundheitsämter überfordert.

Die Widerstände sind groß

Es fehlt nicht an Bemühungen, diese unhaltbaren Zustände zu ändern. Leider fehlt es auch nicht an Bestrebungen, jegliche Änderungen mit den fadenscheinigsten Argumenten zu blockieren und zu sabotieren. Dabei muss nicht zwangsläufig böser Wille im Spiel sein. Oft fehlt nur das Verständnis für den Nutzen neuer Techniken, Angst vor den notwendigen Änderungen der gewohnten Abläufe und der unvermeidlichen Weiterbildung. „Das machen wir schon immer so“ ist ein häufig gehörtes Pseudoargument.

Ausgerechnet der Landkreistag, der Spitzenverbandverband der 294 Landkreise, hat sich Anführer der Digitalisierungsopposition gemacht. 

Die Argumente der Landkreise

Die Bundesregierung plant, bis Ende Februar das “Surveillance Outbreak Response Management and Analysis System” (Sormas) flächendeckend einzuführen. Das Sormas soll den Gesundheitsämtern das Nachverfolgen der Kontakte von Corona-Infizierten und eine einheitliche Dokumentation von Symptomen ermöglichen. Der Landkreistag hält das nicht für das richtige Mittel für den angestrebten Zweck. Mitte Januar hat der Bund das Ziel ausgegeben, die Software flächendeckend zu installieren. Dies hält der Landkreistag weder für erstrebenswert noch für erreichbar. 

Die Probleme der Umsetzung

In der Tat kann sich die Umsetzung dieses ambitionierten Zieles schwierig gestalten. 111 der insgesamt 400 Gesundheitsämter nutzen die Software bereits. Die restlichen 289 Ämter arbeiten mit Eigenentwicklungen inklusive Tabellenkalkulationen, Zettelwirtschaft und natürlich dem guten alten Fax. Aufgrund des vor Ort eher nicht vorhandenen Know-how werden Softwarespezialisten die Software und, wo notwendig, auch die Hardware installieren müssen. Allein die Bestandsaufnahme der vorhandenen Hardware dürfte sich schwierig gestalten. Auch hier fällt uns wieder die fehlende Digitalisierung auf die Füße. Natürlich muss die Hardware dann auch noch beschafft werden. Das heißt in Deutschland beantragt, genehmigt und letztlich bestellt werden. Und auch hier heißt es den analogen Weg zu gehen. Und das immer 289mal. Natürlich ist auch das Personal einzuweisen.  Das alles in sechs Wochen realisieren zu wollen, könnte man auch realitätsfern nennen. Insofern ist die Kritik des Landkreistages nachvollziehbar.
Desweiteren behaupten die Kommunalvertreter, das nach ihren Erkenntnissen bereits bei 5stelligen Fallzahlen das Sormas-System seine Leistungsgrenze erreichen würde. Hilfreicher wäre es, eine einheitliche Schnittstelle für den Datenaustausch zwischen den Gesundheitsämtern zu schaffen und die bestehende IT-Infrastruktur zu vereinheitlichen.  Mit letzteres Forderung rennen die Landkreise natürlich offenen Türen ein. Schließlich ist das das Ziel der Einführung des Sormas-Systems. Da stellt sich natürlich die Frage, welche Erfahrungen die 111 Landkreise beim Einsatz der Software gesammelt haben.
Das letzte Argument betrifft den bereits erwähnten Installationsaufwand.
„Da Sormas nicht mit bestehenden Lösungen zum Kontakt-Tracing kompatibel sei, befürchtet der Landkreistag demnach “erhebliche Mehrbelastungen”. Er warnt vor doppelten Datensätzen, Problemen bei der Migration wie Übertragungsverlusten und zusätzlichem Aufwand für die Beschäftigten. „(Zitat aus Heise Online).

Das traurige Fazit

Insgesamt ist festzustellen, dass das Beharrungsvermögen der Landkreise groß ist. Die Probleme bei der Umstellung werden richtig benannt. Die terminlichen Vorstellungen der Bundesregierung sind sicherlich zu ambitioniert. Die angeführten Probleme sind jedoch normal bei der Einführung neuer Software. Das kann auch die Regierung nicht ändern. Da muss man schon einen gewissen Einsatz der Angestellten und Beamten der Kommunen erwarten. Dafür genießen sie schließlich viele Privilegien. Der zu erwartende Nutzen der Software wird vom Landkreistag mit keiner Zeile erwähnt. Auch die Erfahrungen der Landkreise, die das System bereits nutzen, werden nicht thematisiert.

Und so entsteht der Eindruck, dass man aus Bequemlichkeit an Altbekanntem festhalten will und nicht bereit ist, sich aktiv an der notwendigen Erneuerung der Verwaltung zu beteiligen. Damit schadet der Landkreistag dem Ansehen der Verwaltung und entfremdet sich weiter von den Bürgern. Diese erwarten zu Recht, eine moderne effektive Verwaltung, die für den Bürger, der sie schließlich finanziert, da ist und seine Anliegen schnell und kostengünstig umsetzt. 
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Das noch traurigere Fazit

Am gestrigen Sonntag, den 07.02.2021, teilte ntv mit, dass die Akzeptanz der Corona-Software nach wie vor völlig unzureichend ist. Obwohl alle Bundesländer die Einführung der SORMAS-Software bis Ende Februar beschlossen haben, nutzt in Hamburg, Sachsen und dem Saarland kein einziges Gesundheitsamt das System. Sachsen hat erklärt, dass die Software zunächst in zwei Gesundheitsämtern in Pilotprojekten getestet und später gegebenenfalls weitere Gesundheitsämter angeschlossen werden sollen. Da stellen sich dem Normalbürger zwei Fragen.

  1. Warum muss eine bereits in mehr als hundert Gesundheitsämtern eingesetzte Software in einem Pilotprojekt noch einmal getestet werden?
  2. Warum beschließen Sachsen und auch Hamburg und das Saarland die Einführung der Software,, um sich anschließend nicht daran zu halten?

Jeder macht, was er will.Keiner macht, was er soll. Aber alle machen mit. Föderalismus – das deutsche (Misserfolgs)-Rezept.


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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

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