Die Modernisierung der Bundes-IT – der nächste Supergau

Ist Deutschland ein analoger Staat?

Die Modernisierung der Bundes-IT scheint der nächste Super-Gau in einer langen Reihe von gescheiterten Projekten zu werden. 
Angesichts der vergeblichen Versuche bei Bund, Ländern und Kommunen, die Digitalisierung voran zu treiben, muss man wohl feststellen:

Deutschland ist ein analoger Staat

In diesem Beitrag geht es um den Versuch des Bundeskabinetts, die Hard- und Software der Bundesverwaltung zu modernisieren.

Reizwort Digitalisierung – ein Fiasko nach dem anderen

Die Reihe der gescheiterten Projekte zur Digitalisierung unserer Verwaltung und der Infrastruktur ist schier endlos. E-Government, digitaler Personalausweis, die Ausstattung der Schulen mit digitaler Technik und entsprechender Software und auch die Einführung der SORMAS-Software zur Vereinheitlichung der Kontaktverfolgungssoftware zur Eindämmung der Corona-Pandemie,- all das sind gescheiterte Projekte, in die Millionen geflossen sind ohne irgendetwas Nennenswertes zu bewirken. Von der Corona-App wollen wir erst gar nicht reden. Auch der Stopp des Rollouts der digitalen Stromzähler reiht sich hier würdig ein. Ab 01.07.2021 soll die elektronische Patientenakte mit fast allen Funktionen einsatzbereit und das E-Rezept Standard sein. Ich werde sicherheitshalber versuchen, mir vorher einen Medikamentenvorrat anzulegen. Man weiß ja nie.
Deutschland ist wohl ein analoges Land. Da sorge ich lieber vor.

Das Ziel: Modernisierung und Zentralisierung der IT der Bundesverwaltung

Auch der Bund hatte 2015 die Idee, die IT der Bundesverwaltung zu modernisieren und die Beschaffung und Wartung der Technik zu zentralisieren. Die Federführung lag beim Bundesinnenministerium.
Im Jahr 2015 war die Bundesverwaltung auf rund hundert Rechenzentren und 1245 Serverräume verteilt. Natürlich beschaffte auch jede Behörde ihre eigene Technik. Eine effektive Wartung und Überwachung ist dadurch natürlich ebenso erschwert wie der Schutz vor Cyberattacken. Die Wartung der Software bzw. deren Aktualisierung ist selbstverständlich wesentlich einfacher, wenn Hardware und auch die Softwareausstattung weitgehend standardisiert sind.
Der vom Bundeskabinett 2015 gefasste Modernisierungsbeschluss machte also Sinn. Die Gesamtdauer der Umsetzung war mit 10 Jahren bei Kosten von ca. einer Milliarde € kalkuliert.

Der Weg dorthin – erstmal ein Pilotprojekt

Als Vorzeige- oder richtigerweise als Pilotprojekt diente das „Büro der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz“in Bonn. Dort betreiben Bund und Länder Wissenschaftsförderung.
Offensichtlich konnte man dort genügend Zeit für das größte Modernisierungsprojekt der Staats-IT abzweigen und brachte den Prozess in ihrer kleinen Welt tatsächlich zum erfolgreichen Abschluss. Und das war es dann aber auch.

Der Zwischenstand im Jahr 2020

Angesehen vom erfolgreich umgesetzten Pilotprojekt liegt der Rest der Bundesverwaltung weiterhin im IT-Wachkoma. Auch fünf Jahre nach Projektstart haben bei den meisten Behörden nicht mal die Vorbereitungen für die IT-Konsolidierung begonnen. Gleiches hat man ja schon bei der bundesweiten Einführung der SORMAS-Software in den Gesundheitsämtern gehört.

Immer wieder sind es Behörden und Ämter, die als Bremse der Digitalisierung unangenehm auffallen. Ob da ein Systemfehler vorliegt? Schließlich schlug der Bundesrechnungshof Alarm und im Juni 2019 machte der Haushaltsausschuss angesichts von auf 3,4 Millionen explodierter Kosten dem Treiben ein Ende. Er sperrte große Teile der Mittel und forderte einen Neuanfang. Die Neukonzeption sollte zum 01.01.2020 wirksam werden. Die Zuständigkeit für die Vereinheitlichung der IT der rund 180 Ministerien und Behörden der Bundesverwaltung ist vom Bundesinnenministerium auf das Finanzministerium übergegangen.

In einem vertraulichen Fortschrittsbericht vom August 2020 ist der Status der Projekte dokumentiert.

Status abgeschlossen                         1 Projekt (siehe oben)
Status Vorbereitungsphase               4 Projekte (Beginn beim Bundespresseamt 11.18
Status gestoppt                                  18 Projekte (wegen Prüfung auf Sinnhaftigkeit. Dazu gehören das Bundesjustizministerium,Verkehrsministerium, das
Bildungsministerium und der Bundesrechnungshof

Die vorläufige Schreckensbilanz

Im Dezember 2020 sollte beschlossen werden, in welcher Reihenfolge die Behörden an die neue IT-Betriebsplattform Bund angeschlossen werden. Da wäre ja dann wieder ein Jahr vergangen. Ob die Verteilung der Zuständigkeit für die Modernisierung auf nun 5 Stellen der Schlüssel zum Erfolg oder der Anfang vom Ende in der föderalen Landschaft Deutschlands ist, muss sich erst noch zeigen. Vom Bundesrechnungshof wurde die Aufteilung der Verantwortlichkeiten auf fünf Stellen und die sträfliche Vernachlässigung der IT-Sicherheit kritisiert. Auch der Einsatz der ITZ-Bund als zentralen IT-Dienstleister des Bundes wurde bemängelt. Ihm wird mangelnde Transparenz, langsame Reaktionszeiten und unklare Preisgestaltung vorgeworfen. Baustellen gibt es also genug.
Hauptsache es gibt auch genügend fähige Bauarbeiter. Falls nicht, gibt es ja noch externe Expertise. Ein paar Millionen sind dafür immer drin. Erfolg fraglich.

Der neue Anlauf – ein Hürdenlauf mit offenem Ausgang

Im Januar 2021 wurde dann tatsächlich vom Finanzministerium ein „Reihenfolgeplan“ vorgelegt. Die Betriebskonsolidierung der Ministerien und Behörden soll in vier Wellen ablaufen und 2028 angeschlossen sein. Betroffen von dieser Maßnahme sind 130.000 Arbeitsplätze und 30.000 Server. Vorreiter sollen unter anderen das Bundeskanzleramt, das Bundesverkehrsministerium und das Wirtschaftsministerium werden. Mit einem Scheitern wird dennoch für den Fall gerechnet, dass die Behörden nicht mitziehen. Dies haben sie bis dato ja sehr erfolgreich praktiziert. Und ich habe immer gedacht, in den Behörden säßen Beamte, die nach Recht und Gesetz und nach Weisung ihrer Vorgesetzten arbeiten würden. Ja, so hat jeder seine Illusionen.

„Der Aufwand des Projekts ist enorm, denn jedes Haus muss dem neuen Reihenfolgenplan zufolge zwei Vorbereitungsstufen durchlaufen, bis mit der eigentlichen Umstellung der IT begonnen werden kann. Insgesamt werden so für jedes Behördenprojekt drei Kalenderjahre veranschlagt. Auch für die Ministerien und Häuser der ersten Welle bedeutet dies, dass die neuen Systeme und Server erst ab dem dritten Quartal 2022 tatsächlich installiert werden. In dieser Legislaturperiode wird also keine einzige der 73 vorgesehenen Behörden fertig. Bundeskanzlerin Merkel wird das neue Arbeitsumfeld also nicht mehr in ihrer Amtszeit erleben.“ (Zitat aus dem Spiegel)

Drei Jahre Verlängerung bei der Umsetzung des Projektes bedeuten mit Sicherheit auch höhere Kosten. Da brauchen wir Steuerzahler uns aber keine Gedanken machen.

Die Rechnung wird uns präsentiert werden, wann auch immer.


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