PISA-Krise und kein Ende

Die regelmäßigen länderübergreifenden Tests des Bildungsniveaus der Schüler (PISA) im Rahmen der OECD haben es auch in diesem Jahr wieder an den Tag gebracht. Die Kompetenz deutscher Schülerinnen und Schüler in Sachen Lesefähigkeiten, Mathematik und Naturwissenschaften hat im Vergleich zu den vergangenen Studien einen neuen Tiefststand erreicht.

Coronabedingte Schulschließungen, unzureichende technische Ausstattung, fehlende digitale Kompetenz, Lehrermangel, starker Zustrom nicht deutschsprechender Schüler und auch die Vernachlässigung der Instandhaltung der Schulgebäude haben zu dieser Entwicklung beigetragen.

Wichtiger sind aber andere systemische Ursachen. So zum Beispiel der Föderalismus

Bildungsbremse Föderalismus

Jedes Bundesland kocht sein eigenes Süppchen, hat seine eigenen Lehrpläne, Lehrbücher, Unterrichtsmaterialien und Prüfungsordnungen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) soll Ordnung in dieses Chaos bringen. Die Unternehmensberatung Prognos hat die Arbeit der KMK untersucht und schätzt sie als riesigen bürokratischen Apparat ohne praktische Relevanz ein und damit ist Prognos nicht allein. 

Es gibt nur eine Mathematik, nur eine deutsche Rechtschreibung und Grammatik und auch die Naturwissenschaften haben keinen existenziellen Bezug zu bestimmten Bundesländern und deren Eigenheiten. Daher ist gerade das Bildungswesen für eine zentrale Führung durch den Bund prädestiniert. Ein einheitlicher Lehrplan inklusive der entsprechenden Unterrichtsmaterialien und vorgeschriebenen Prüfungen könnte vieles erleichtern, auch beim Einsatz der Lehramtsabsolventen. Die zentrale Steuerung des Bildungswesens könnte endlich die unselige Praxis des Abwerbens des Lehrernachwuchses durch die reichen Länder beenden. Und wenn ein Lehrer dann vielleicht aus privaten Gründen in ein anderes Bundesland umzieht, findet er die gewohnten Bedingungen vor und ist sofort arbeitsfähig. Auch für die Schüler wäre ein Umzug in ein anderes Bundesland kein Abenteuer mit ungewissem Ausgang mehr.

FDP-Chef Lindner hatte bereits 2017 geschrieben, dass Länder und Kommunen durch die Aufgaben im Bildungsbereich überfordert seien. Die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern sei “nicht mehr Teil der Lösung, sondern längst zum Problem geworden”.(Auszug aus der Süddeutschen Zeitung)

Für grundlegende Änderungen bei der Zuständigkeit im Bildungswesen wäre allerdings eine Verfassungsänderung notwendig. Diese setzt eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und eine Mehrheit im Bundesrat voraus. Und damit ist dieser Traum wohl ausgeträumt. Denn im Bundesrat ist Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann (Die Grünen) entschiedener Verfechter der Bildungsautonomie der Länder. Und das ist so, obwohl in den 11 Jahren seiner Regierungszeit das Bildungsniveau auch in seinem Bundesland stetig abgesackt ist. Gelernt hat er daraus nichts und dagegen getan auch nicht.

Am Gehalt liegt es nicht

Lehrer verdienen gut, selbst als Berufsanfänger. Und wenn sie sich mal nicht bereit für den Unterricht fühlen, dürfen sie auch mal ohne Krankenschein bis zu zwei Tage zu Hause bleiben.  Über solch großzügige Regelungen würden sich andere Berufsgruppen freuen.

Dass dennoch viele Abiturienten das Lehramtsstudium meiden, hat sicher neben der nötigen Stressresistenz auch mit dem Schüler-Lehrer-Elternverhältnis zu tun. Auf diesem Gebiet liegt vieles im Argen.

Auch Eltern stehen in der Pflicht

Die Sucht der Verantwortlichen, sich gegen alles und jeden abzusichern, hat zu einer dauerhaften Untergrabung der Autorität der Lehrer geführt. Während Lehrer quasi Freiwild für ausrastende Grundschüler sind, dürfen sie nicht einmal mehr potentielle Störenfriede vom Unterricht ausschließen. Mit dem Verweis aus dem Klassenraum verletzen sie schließlich ihre Aufsichtspflicht und könnten verklagt werden. Dass Lehrer im Klassenraum oder auf dem Pausenhof verbal und tätlich angegriffen werden, ist dagegen schon Normalität geworden.

Da stellt sich naturgemäß die Frage nach der elterlichen Erziehung und der Unterstützung der Lehrer. Auch hier ist kein Stein mehr auf dem anderen geblieben. Viele Kinder aus Hartz-IV-Haushalten erscheinen ohne Frühstück und Pausenbrot in der Schule und nehmen auch an der Schulspeisung nicht teil. Wie sollen sie da konzentriert am Unterricht teilnehmen? Ursache dafür ist nicht nur Geldmangel, sondern teilweise auch die Einstellung der Eltern zur Schule. Sogar die Erledigung von Hausaufgaben wird von Eltern aus bildungsfernen Schichten nicht nur nicht unterstützt, sondern zudem als unnötig eingestuft. Es gibt allerdings auch „Bildungsexperten“, die in das gleiche Horn blasen. Auch Elternversammlungen werden von vielen Eltern nicht mehr wahrgenommen. Damit ist die Kommunikation mit dem Lehrkörper nicht mehr gegeben, so dass Probleme viel zu spät im Elternhaus wahrgenommen werden. Dazu kommt die unsinnige Regelung, dass die Eltern nicht mehr über die Leistungen ihrer volljährigen Kinder informiert werden. Der “Datenschutz” behindert auch hier vieles.

Wir sind eine Leistungsgesellschaft-auch in der Schule

Werden Schülerinnen und Schüler schlecht benotet, getadelt oder schlecht beurteilt und vielleicht sogar nicht versetzt, dann werden manche Eltern nicht nur aktiv, sondern aggressiv gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern. Auch Androhungen körperlicher Gewalt gibt es. Unter solchen Bedingungen ist ein Vertrauensverhältnis kaum herstellbar. Hier muss der Staat klare Fronten schaffen und die Autorität und körperliche Unversehrtheit des Lehrpersonals gegenüber aggressiven Schülern und Eltern schützen. as kann im Extremfall auch mal Schulverweis bedeuten. Schuldisziplin muss für die Schüler wieder eine Selbstverständlichkeit werden und mit spürbaren Sanktionen durchgesetzt werden. Die elterliche Unterstützung darf sich nicht nur im täglichen Antransport der KInder zur Schule erschöpfen. Das ist jedenfalls kein Beitrag zur Erziehung der Kinder zur Selbstständigkeit und zum richtigen Verhalten im Straßenverkehr.

Auch eine strenge und konsequente Benotung und regelmäßige verbale Einschätzung des Verhaltens der Schüler kann die Autorität der Lehrer stärken. Wer sich nicht hinreichend bemüht, muss auch mal eine Klassenstufe wiederholen. Und wenn die Mindestpunktzahl nicht erfüllt wird, dann gibt es eine sechs ohne Anstriche. Die gängige Praxis, bei schlechten Leistungen einfach die Anforderungen zu senken, um den Ruf der Schule zu schützen, muss endlich aufhören. Auch regelmäßige Klassenarbeiten und Abschlussprüfungen sind für einen optimalen Lernerfolg unverzichtbar.

Optimal vorbereitet in die Schule starten

Natürlich wird der Start in die Schule auch erleichtert, wenn die Kinder bereits im Kindergarten auf den Unterricht in der Schule vorbereitet werden. Auch auf diesem Gebiet hat der Staat vollumfänglich versagt. Das gesetzlich verankerte Recht auf einen Kindergartenplatz hat zwar zu mehr Klagen und Entschädigungsleistungen der Kommunen geführt, nicht aber zu mehr Kindergartenplätzen. Das verhindern unter anderem die deutschen Bauvorschriften und knappe Kassen. Und selbst wenn genügend Kindergartenplätze zur Verfügung stünden, woher kommen die Kindergärtnerinnen? Trotz guten Verdienstes mangelt es am Nachwuchs.

Brauchbare Erziehungskonzepte im Kindergarten-Fehlanzeige

Auch die Erzieherinnen und Erzieher in den Kinderkrippen- und gärten sind unzufrieden. Die heutigen Erziehungskonzepte für Kindergärten und Krippen gehen an den Notwendigkeiten völlig vorbei. Die Aufgabe der Erzieherinnen und Erzieher erschöpft sich darin zu verhindern, dass die Kinder Schaden nehmen. Ob sie auf den Topf gehen oder in die Hose machen,-egal. Hauptsache ist, dass sie nicht zu Schaden kommen. Spielen dürfen sie wann und was sie wollen. Eine sinnvolle Struktur für den Tag und grundlegende hygienische Gewohnheiten werden nicht vermittelt. Ein Erziehungszweck ist nicht vorgesehen, totale Entscheidungsfreiheit für die Kindern, die dafür viel zu jung sind, ist erwünscht. Eine solche Tätigkeit bringt den Erzieherinnen und Erziehern statt beruflicher Befriedigung eher Frust und den Kindern gar nichts.

Doch zurück zur Schule.

Experten auf ntv.de zur Bildungsmisere

In einem Artikel vom 06.12.23, veröffentlicht auf ntv .de zum Thema PISA, kommen „Experten“ zu Wort.

Marion Zirngibl

Gemäß der Bildungsexpertin Marion Zirngibl ist das schlechte Abschneiden Deutschlands auf die soziale Ungleichheit im Land zurückzuführen. Weil einkommensschwache Familien den Unterricht nach nachbereiten können, müssen die Schulen sensibler werden. Wir müssen Kinder und Jugendliche als kompetente Menschen betrachten, auch wenn sie vielleicht nicht gut in Mathe sind.

Das könne durch alternative Projekte gelingen, bei denen Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler gleichberechtigt mitarbeiten, beispielsweise in der Gestaltung eines sicheren, gemütlichen Klassenraumes.

Solche Äußerungen einer „Expertin“ sind für mich als Absolvent des DDR-Bildungswesens völlig unsinnig. Fehlende Kenntnisse in Mathematik und Naturwissenschaften und mangelnde Fertigkeiten beim Lesen sind durch die Gestaltung schicker und sicherer (was soll das eigentlich heißen?) Klassenräume nicht zu kompensieren. Wenn solche Experten Einfluss auf die Gestaltung der Ausbildung unserer Kinder nehmen brauche wir uns über die Folgen nicht zu wundern. Dass die soziale Ungleichheit eine der Ursachen für die schlechten Leistungen deutscher Schülerinnen und Schüler ist, entspricht natürlich den Tatsachen.

 Aladin El-Mafaalani

„Angesichts eines “heruntergewirtschafteten Schulsystems”, dem akuten Personalmangel und der verstärkten Migration fordert der Soziologe Aladin El-Mafaalani ein “Sondervermögen Bildung” in Höhe von 100 Milliarden Euro.“ (Zitat ntv)

Natürlich hat dieser Experte Recht mit seiner Forderung nach hinreichenden Finanzmitteln für die Sanierung der kaputtgesparten Schulinfrastruktur. Nützen wird das angesichts der gegenwärtigen finanziellen Lage unseres Landes nach dem Karlsruher Urteil zu den Bundesfinanzen eher nicht.

Olaf Köller

Als letzter kommt in den Artikel Bildungsforscher Olaf Köller von der „Tagesschau“ zu Wort und er stellt Relevantes zur Diskussion.

Er fordert, von den Top-Nationen lernen. Und Recht hat er, auch wenn es wie Inzucht anmutet. Denn es hat eine Zeit gegeben, in der sich die Bildungsexperten aus Skandinavien die Klinke in die Hand gegeben haben, um von der DDR zu lernen.

„Geht es um Bildungspolitik, wird Finnland gerne als Vorbild genannt. In der Tat liegt das Land in allen drei Kategorien der PISA-Studie auf den vordersten Plätzen. In den 1990er-Jahren veränderte das Land sein Schulsystem radikal. Ein verbindliches Vorschuljahr wurde eingeführt, die Kinder gehen die ersten neun Jahre in eine Gemeinschaftsschule. Erst danach erfolgt der Schritt entweder auf das Gymnasium oder auf eine Berufsfachschule. 

Ähnlich sieht es in Estland aus. Das baltische Land schneidet unter allen europäischen Nationen am besten im PISA-Ranking ab. Auch dort lernen alle Schülerinnen und Schüler bis zur 9. Klasse gemeinsam. Zudem werde mit leistungsschwächeren Kindern und Jugendlichen anders umgegangen als in Deutschland, sagt der Bildungsforscher Olaf Köller der “Tagesschau”

“Man nimmt sie raus, man fördert sie dann besonders”, sagt er. Für diese individuelle Unterstützung hat Estland spezielle Beratungszentren eingerichtet – ein Novum in Europa. “Auch das kommt bei uns zu kurz: Der Blick auf die schwachen Schülerinnen und Schüler und dann wirklich kluge Angebote, um sie systematisch zu fördern”, sagt der Experte.“ (Auszug aus ntv vom Nikolaustag)

Wir können auch aus der eigenen Vergangenheit lernen

All dies war in der DDR gängige Praxis. Bis zur achten Klasse haben starke und schwache Schüler zusammen gelernt. Dabei wurden leistungsschwache Schüler durch die Besten in der Klasse unterstützt,- im und auch außerhalb des Unterrichts. Das hat den Schwachen geholfen und den Leistungsstarken Verständnis für die schwächeren Schüler vermittelt. Besonders begabte Schüler erhielten im normalen Unterricht Sonderaufgaben, um sie gezielt zu fördern. Zudem gab es für herausragende Talente in Mathematik, Physik und anderen Naturwissenschaften Leistungszentren. Auch für sportliche Talente existierten spezielle Sportschulen, die bis zum Abitur führten. Musikalische Begabte konnten für ein geringes Entgelt Musikschulen besuchen.  


Zusammenfassend ist festzustellen, dass unser Bildungswesen durchaus als kritische Infrastruktur gesehen werden muss und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. 
Hier und da sporadisch durchgeführte Reformversuche am lebenden Objekt haben mehr gechadet als genutzt und auch die große Rechtschreibreform hat aus meiner Sicht nur Verunsicherung gebracht. Von einer Vereinfachung kann keine Rede sein. Ich jedenfalls habe meine Rechtschreibprüfung wieder auf die alte Rechtschreibung umgestellt.
Wir haben allen Anlass, auf unsere skandinavischen Nachbarn zu schauen und von Ihnen zu lernen. Aber auch das Lernen aus den eigenen Fehlern haben wir Deutsche offensichtlich verlernt,-nicht nur in der Bildung.

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