Altkanzlerin Angela Merkel stellt ihr Buch vor

Ein halbes Jahr hatten wir Zeit, uns von Angela Merkel zu erholen. Nun ist sie plötzlich wieder da und möchte alte Weisheiten mit neuen Einsichten ergänzen.
Und natürlich möchte die Altkanzlerin ihr neues Buch promoten. Drei Reden enthält es und wird vermutlich zum Einstauber des Jahres werden. 16 Jahre Regierungszeit sind eine lange Zeit und viel Gelegenheit, auch bedeutende Reden zu halten, die die Stürme der Zeit überstehen und aus dem politischen Alltag herausragen. Ich kann mich an keine solche Rede von Frau Merkel erinnern. Richard von Weizsäcker und auch Roman Herzog haben solche Reden gehalten. Ob sie mit ihren Reden etwas verändern konnten, sei dahingestellt, aber großartige Reden waren es allemal. Merkels Reden waren so aufregend wie ein Schlaflied.

Die One-Woman-Show Merkel

Sie waren so einlullend wie ihre Politik. Da gab es keine Aufregungen, keine Höhepunkte, keine Inspiration. Sie spielte irgendwie immer das gleiche Lied und hat damit in Deutschland wie in Europa für gespenstige Ruhe gesorgt. Niemand sollte sich Sorgen machen, die Kanzlerin hatte alles im Griff. Jedem wurde alles versprochen, Konflikte wurden solange verwässert bis sie sich von selbst auflösten. Sie startete allein und unüberlegt die Energiewende und ließ sie dann von Bundesminister für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier gegen die Wand fahren. Sie kündigte eine neue Klimapolitik an und überließ dann doch den Automobilbossen das Feld. Die Digitalisierung bekam eine hohe Priorität und wurde dann einer einflusslosen Staatsministerin für Digitales Dorothee Bär und einem unfähigen Bundesverkehrsminister Scheuer zur Aufbewahrung überlassen. Die Verteidigungspolitik hat sie zunächst dem Blender zu Guttenberg überlassen, um die Bundeswehr nach Guttenbergs Rücktritt und einer kurzen Episode mit Thomas de Maiziere als Verteidigungsminister mit Hilfe von Frau von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer endgültig runterwirtschaften zu lassen.

Versagen der Politiker blieb ohne Konsequenzen

Angela Merkels Politik des Ausgleiches und des Aussitzens hat mit zur Entfremdung der Bevölkerung von der Politik und dem Verfall der staatlichen Autorität beigetragen. Dank fehlender Konsequenzen bei Fehlleistungen von Politikern hat sich unter Merkel eine Kultur der Verantwortungslosigkeit breit gemacht. Hunderte Millionen an Steuergeldern hat Frau von der Leyen als Verteidigungsministerin an externe Berater verschwendet ,ohne dass auch nur der geringste Effekt zum Beispiel im Beschaffungswesen der Bundeswehr erkennbar geworden wäre. Die Aufträge wurden oft ohne Ausschreibung und ohne Prüfung der Wirtschaftlichkeit vergeben. Doch trotz einer Strafanzeige wurde Frau von der Leyen aus der Schusslinie genommen und zur EU-Kommissionspräsidentin gemacht.

Immer wieder gern gesehen als Verkehrsminister waren Politiker der CSU. Alexander Dobrindt und insbesondere Andreas Scheuer haben sich durch Nichterfüllung ihrer Aufgaben und Lobbyismus für die Autoindustrie einen Namen gemacht. Während Herr Dobrindt die nötige Verkehrswende und die Aufklärung der VW-Abgasaffäre blockierte, hat Andreas Scheuer allein die Verschwendung von ca. 600 Millionen an Steuergeldern zu verantworten, weil er ohne Not ein Abkommen mit Firmen der Privatwirtschaft zur Umsetzung der letztlich von der EU untersagten PKW-Maut geschlossen hat. Der Untersuchungsausschuss zu dieser Affäre frisst noch heute Steuergeld und wird mit Sicherheit als Hornberger Schießen enden. Die Reaktion von Frau Merkel auf diesen Skandal. „Der Andy leistet hervorragende Arbeit“. Der Verkehrsminister ist im Übrigen nicht nur für den Erhalt von Straßen und Brücken zuständig, sondern auch für die Digitalisierung. Auf beiden Gebieten hat die Regierung Merkel alle fünfe gerade sein lassen.  Die Konsequenz sind unter anderen tausende marode Brücken in Deutschland und einer der letzten Plätze in Sachen Digitalisierung in Europa und der Welt.

Peter Altmaier war als Bundesminister für Wirtschaft und Energie eine der wichtigsten Figuren im Kabinett Merkel. Seinem Einfluss ist es geschuldet, dass im Rheinland fünf Dörfer ohne Notwendigkeit geräumt wurden. Er hatte ein Gutachten zum Braunkohleabbau im Interesse von RWE zurückgehalten- Auf dem Sektor Pharmazie setzte Altmaier die Streichung einer Importförderklausel im Gesetz zur Arzneimittelsicherheit durch, obwohl diese von 14 Bundesländern befürwortet wurde. Als Energieminister bremste Altmaier den Ausbau der erneuerbaren Energien und änderte das EEG-Gesetz im Interesse von Unternehmen, die die Zahlung der EEG-Umlage umgingen . Eine Alternative zur sicheren Energieversorgung Deutschlands nach dem 2011 beschlossenem Ende der Atomenergie und dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung hat Herr Altmaier nicht geschaffen. Details zur Energiepolitik des Kabinetts Merkel habe ich bereits in diesem Artikel dargestellt.

Energiepolitik a la Merkel

Ebenso nicht gelöst wurde von der Merkel-Regierung das Problem eines Endlagers für hochradioaktiven Müll. Auch die extreme Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas ist das Ergebnis einer verfehlten Politik von Herrn Altmaier als damaligen Chef des Bundeskanzleramtes und späteren Minister für Wirtschaft und Energie sowie Kanzlerin Merkel. 2015 wurde fast alle Gasläger an die Gazprom verkauft, mit dem Segen der EU und ohne deutschen Widerstand. Der Gipfel der Leichtfertigkeit war die Ablehnung der Einrichtung einer Nationalen Notfallreserve auch für Erdgas. Mit den Niederlanden und Norwegen stünden alternative Lieferanten zur Verfügung, so hieß es damals.  Zudem könnte über den Hafen Rotterdam und südfranzösische und italienische Tankerhäfen Flüssigerdgas importiert werden. Inzwischen ist der Notfall eingetreten und weder hinreichend Lieferanten als Ersatz für russisches Erdgas noch Importmöglichkeiten für verflüssigtes Erdgas stehen in Deutschland zur Verfügung. Dafür büßen die Deutschen nun mit exorbitanten Gas- und Strompreisen.

Wir schaffen das!

Ebenso leichtfertig wie der Verkauf unserer Erdgasspeicher war die mit dem Merkel-Slogan “Wir schaffen das” begleitete Öffnung der Grenzen für anstürmende Asylbewerber überwiegend aus dem Krisengebiet Syrien. Die im wesentlichen unkontrollierte Einwanderung hat ein völliges Chaos bei den Behörden insbesondere in Berlin ausgelöst und die deutsche Gesellschaft tief gespalten. Insofern darf sich die Regierung Merkel auch die Gründung der AfD als ihr “Verdienst” anrechnen lassen.

 

Ich habe mir nichts vorzuwerfen

Für all das wird sich Frau Merkel nach eigener Aussage nicht entschuldigen. Sie hat sich nichts vorzuwerfen. Das ist natürlich richtig. Vorzuwerfen braucht Sie sich nichts, dafür ist schließlich der Staatsanwalt da. Aber auf die Schilderung einer kaputtgesparten und demoralisierten Justiz möchte ich jetzt nicht eingehen.

Außenpolitisch hat sich Frau Merkel großes Ansehen erworben. Warum eigentlich? Offensichtlich war Sie bei Streit in der EU der vermittelnde Ruhepol, der die jeweiligen Konfliktpartner solange weichgeklopft hat, bis sie erschöpft aufgaben. Das hat ja auch oft funktioniert, aber am Ende nicht eines der strukturellen Probleme der EU gelöst. Aufgrund der Einstimmigkeitsregel kann nach wie vor jedes Mitgliedsland jede Reform blockieren. Jüngstes Beispiel ist das Veto Ungarns gegen das neueste Sanktionspaket gegen den Aggressor Russland. Solange das so bleibt, bleibt die EU erpressbar und sind nationale Interessen gegen den Willen aller anderen Mitgliedsstaaten durchsetzbar. Mit einer Union hat das wenig zu tun. Diese Regel hätte man ändern sollen, bevor die EU durch neue Mitgliedsstaaten noch größer und konfliktträchtiger wurde. Eine abgestimmte Flüchtlingspolitik gibt es nach wie vor nicht. Trotz EU-Außenbeauftragte existiert eine gemeinsame Außenpolitik praktisch nicht. Selbst die Durchsetzung der EU-Rechtsnormen wird durch Mitglieder wie Polen immer wieder in Frage gestellt. Eine gemeinsame Verteidigungspolitik existiert ebenso wenig wie eine auf nachhaltiges Wirtschaften ausgerichtete Agrar- und Subventionsstrategie. Den aktiven Part in der EU hat durch die Passivität von Frau Merkel inzwischen Manuel Macron übernommen. Aber auch seine Initiativen hat Frau Merkel ausgebremst.

Im Ergebnis der 16 Jahre Merkel wird Deutschland von einer verkrusteten, scheinbar nicht reformierbaren Bürokratie erwürgt. Das deutsche Wahlsystem hat uns das größte Parlament der Welt (nach China) und mit dem Kanzleramt auch das größte Regierungsgebäude der Welt beschert. Von einer ideenreichen, dynamischen Politik jedoch keine Spur. Die ewig alten Parteien kultivieren ihren Politsprech und handeln oftmals gegen den Willen des Volkes, in jedem Fall aber im Interesse der jeweiligen Lobbyisten und ihrer Partei. Und wenn dann die Bundesregierung mal ein sinnvolles und notwendiges Gesetz auf den Weg bringen will (wie es zurzeit mit dem Gesetz zur Förderung der erneuerbaren Energien versucht wird) dann grätschen die Ministerpräsidenten der Länder dazwischen. Föderalismus heißt die Hinterlassenschaft der Gründungsväter der Bundesrepublik, die jeglichen Fortschritt bislang im Keim erstickt.

Demnächst wird Frau Merkel ihr nächstes Werk herausbringen. In diesem Buch will Sie den langen Weg Ihrer Kanzlerschaft nachzeichnen. Lang war Ihre Kanzlerschaft in der Tat, aber erfolgreich.? Zweifel sind erlaubt.


Entdecke mehr von Meine ungefragte Meinung

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Altkanzlerin Angela Merkel, Buchvorstellung, Digitalisierung, Energiewende, Infrastruktur, PKW-Maut
Vorheriger Beitrag
Übergriffigen Naturschutzverbänden Einhalt gebieten
Nächster Beitrag
Tankrabatt-Subvention der Ölmultis?

Du glühst vor Begeisterung oder schäumst vor Wut,-hier kannst Du es rauslassen.